Erfolgreiche Protestaktion in Arnhem wegen ausstehender Lohnzahlungen und schlechten Arbeistbedingungen bei SijFa Cruises.
12 Juli 2021
Am 11. Juli besuchten Mitarbeiter der Schweizer und Niederländischen Sektionen von Nautilus International den Saisonstart von SijFa Cruises im niederländischen Arnheim. Sie informierten Journalisten über die dubiosen Geschäftspraktiken der Firma, die seit Jahren versucht, sich der Gerichtsbarkeit und Verantwortung für ausstehende Löhne und Sozialbeiträgen zu entziehen.
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Was ist passiert:
Bis Ende der Saison 2018 und dann wieder in 2019 und 2020 wurde die Besatzung auf den drei Schiffen der niederländischen Reederei von einem „Tochterunternehmen“- SijFa Crewing in der Schweiz angestellt.
Im Jahr 2018 erhielten wir eine Reihe von Beschwerden von Crewmitgliedern. Die erste kam im März 2018 von zwei bulgarischen Matrosen. Sie arbeiteten auf der Carmen und behaupteten unter extrem schlechten Arbeitsbedingungen zu leiden. Ein Matrose verletze sich und durfte jedoch nicht in medizinische Behandlung. Da sie dann jedoch die Schiffe fristlos verließen, sahen wir keine rechtliche Möglichkeit, etwas zu unternehmen. Wenig später, Ende 2018 und Anfang 2019 hielten wir Beschwerden von insgesamt vier Crewmitgliedern. Es ging um ausstehende Löhne, massive Überstunden und in zwei Fällen um nicht bezahlte, respektive abgeführte AHV- und Pensionskassenbeiträge. Der Schaden beläuft sich auf über 25 000 Euro.
Als Gewerkschaft haben wir zunächst versucht Kontakt mit der Rederei aufzunehmen um nach Lösungen zu suchen, leider erfolglos. Doch auch die folgenden rechtlichen Schritte gegen SijFa Crewing in der Schweiz liefen ins Leere, da SijFa Crewing die Einladungen des Gerichts nicht entgegennahm und kurze Zeit später sich auflöste.
Wenig später startete SijFa Crewing mit neuer Adresse und einem bevollmächtigten Schweizer Anwalt wieder Ihr Geschäft in der Schweiz. Im Herbst 2019 gelang dann endlich eine Kommunikation mit Frau Sijbrands, der Eigentümerin in den Niederlanden. Es gab sogar eine Telefonkonferenz, an der auch die HR Leiterin, Frau de Wal beteiligt war. Hierbei wurde versprochen, Lösungen zu finden und die vier Fälle zu prüfen. Wir wurden als Gewerkschaft sogar darum gebeten, die Arbeitsverträge für die neue Saison zu prüfen und sie mit Schweizer Arbeitsrecht in Einklang zu bringen.
Als dieses Versprechen nicht eingehalten wurde reichten wir erneut Klagen vor Gericht ein, diesmal für insgesamt vier Crewmitglieder. Am 10. September 2020 fand vor dem Glarner Gericht in Glarus, Schweiz eine Schlichtungsverhandlung statt. Der Anwalt, der offiziell für SijFa in der Schweiz tätig ist, war anwesend. Er sagte jedoch, dass er seit April 2020 keinen Kontakt mehr zur Geschäftsleitung in den Niederlanden gehabt habe und sich zu den vier Lohnforderungen nicht äussern könne. Wenige Tage später wurde bekannt, dass SijFa Crewing in der Schweiz Konkurs angemeldet hatte. Das Gericht beschloss am 1.10.2020, die Firma zu liquidieren. Dies bedeutet, dass SijFa Schweiz nicht mehr existiert.
Seit Anfang 2021 versuchen wir nun SijFa in Niederlanden rechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Leider ist dies sehr kompliziert und kann sehr lange dauern. Aus diesem Grunde haben wir uns entschlossen, die Reisen der Firma in der Zukunft zu begleiten und auf diese Weise die Firma aufzufordern endlich die austehenden Löhne etc. zu zahlen.
Wir sind der Meinung, dass die Verbindung von Sijfa Crewing zur Schweiz von Anfang an ein dubioses Konstrukt war. Zwar wurden die Arbeitsverträge formell mit Schweizer Rechtsstatus und Adresse unterzeichnet. Alle Managemententscheidungen und insbesondere alle Anweisungen an die Mitarbeiter wurden jedoch stets von Holland aus getroffen.
Wir sind der Meinung, dass Sifja Cruises BV, Malden Nederland für die Ansprüche der Mitarbeiter gegenüber Sifja Crewing Schweiz verantwortlich und haftbar ist.
Für uns ist SijFa nur ein Beispiel für die teilweise sehr intransparenten Unternehmensstrukturen in der Flusskreuzfahrtbranche. Unternehmen wählen oft nach günstigen steuerlichen und arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten aus und sind, wie dieses Beispiel zeigt, rechtlich sehr schwer zu erreichen.
Nach der Schweiz ist SijFa nun zum Teil unter Maltesischer Flagge unterwegs und stellt die Arbeitsverträge über eine "Zweigstelle" in Zypern nach dortigem Recht aus, mit allen Nachteilen für die Beschäftigten bezüglich sozialer Sicherheit und Arbeitsrecht. Auch dies ist eine gängige Praxis vieler Kreuzfahrtunternehmen. Auch insofern ist SijFa Cruises nur ein Beispiel, wenn auch ein besonders dreistes.
Protest zeigt Wirkung
Nachdem am 9.7.2021 einige Pressemeldungen unsere Aktion vom 11. Juli ankündigten, meldete sich Sijfa bei uns und erklärte sich bereit die geforderte Summe von 20000 Euro für die vier Besatzungsmitglieder zu zahlen.
Trotz dieser endlichen Einigung waren wir vor Ort in Arnhem bei SijFa und anderen Schiffen weil sich noch sehr viel ändern muss in der River Cruise Industry. Unbezahlte Überstunden und seltsame Firmenkonstruktionen in Malta und Zypern sind weiterhin ein grosses Problem.
Markierungen
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